Übersicht über die Erbrechtsrevision und deren Implikationen für die Nachlassplanung

Nachdem die Referendumsfrist am 10. April 2021 unbenutzt ablief, tritt die Erbrechtsrevision voraussichtlich am 1. Januar 2023 in Kraft. Das Ziel der Revision bestand darin, das Erbrecht flexibler zu gestalten, um den heute vielfältigen Lebensformen gerecht zu werden. Die wichtigsten Änderungen werden im Folgenden überblicksweise dargestellt. Zudem wird aufgezeigt, was diese Änderungen für die aktuelle und die zukünftige Nachlassplanung bedeuten.


Die revidierten Bestimmungen werden aufgrund des sogenannten Todestagsprinzips auf sämtliche Erbgänge Anwendung finden, die sich nach dem 1. Januar 2023 ereignen. Dies unabhängig davon, ob die gesetzliche Erbfolge eintritt oder ob bereits vor Inkrafttreten der Revision eine letztwillige Verfügung verfasst oder ein Erbvertrag abgeschlossen wurde.


A. ANPASSUNG DES PFLICHTTEILSRECHTS


Als bedeutendste Anpassung werden mit der Erbrechtsrevision der Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen sowie die Höhe der Pflichtteilsquote geändert. Neu entfällt der Pflichtteilsschutz für die Eltern des Erblassers. Die Pflichtteilsquote der Nachkommen wird sich von drei Vierteln des gesetzlichen Erbanspruchs auf die Hälfte reduzieren. Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt hingegen unverändert und wird weiterhin die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs betragen. Die Höhe des gesetzlichen Erbanspruchs erfährt durch die Erbrechtsrevision indessen keine Änderung.


Mit dieser Anpassung des Pflichtteilsrechts erhöht sich die frei verfügbare Quote des Erblassers ab dem 1. Januar 2023 und wird dann immer die Hälfte betragen, wenn pflichtteilsgeschützte Erben existieren. Gemäss aktuell gültigem Recht beträgt die frei verfügbare Quote bloss einen Viertel, wenn der Erblasser Nachkommen aber keinen Ehegatten hinterlässt. Hinterlässt er sowohl Nachkommen als auch einen Ehegatten, liegt die frei verfügbare Quote derzeit bei drei Achteln. Mit der Erbrechtsrevision erhält der Erblasser in Zukunft also eine grössere Planungsfreiheit, wodurch bspw. faktische Lebenspartner oder Stiefkinder stärker begünstigt werden können. Es ist jedoch zu beachten, dass die Begünstigung faktischer Lebenspartner oder Stiefkinder in vielen Kantonen Erbschaftssteuern auslöst.


Aufgrund des Todestagsprinzips ist das neue Pflichtteilsrecht bereits jetzt in der Nachlassplanung zu berücksichtigen und der Fall des Ablebens nach dem 1. Januar 2023 als Eventualität zu regeln. Bereits bestehende letztwillige Verfügungen oder Erbverträge, in denen Nachkommen oder Eltern auf den Pflichtteil gesetzt wurden, sind zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Es ist insbesondere zu klären, ob Nachkommen auch nach dem 1. Januar 2023 bloss den Pflichtteil, d.h. die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs, oder doch wie bis anhin drei Viertel davon erhalten sollen. Was die aktuell noch pflichtteilsgeschützten Eltern anbetrifft, stellt sich die Frage, ob diese auch nach dem 1. Januar 2023 etwas erhalten sollen oder nicht. Für den Fall, dass diese Fragen vor dem 1. Januar 2023 nicht geklärt werden, werden sie mittels Auslegung der letztwilligen Verfügung oder des Erbvertrags zu beantworten sein.


B. VERLUST DES PFLICHTTEILSANSPRUCHS BEI HÄNGIGEM SCHEIDUNGSVERFAHREN


Gemäss heute gültigem Recht verlieren Ehegatten ihren Erb- und Pflichtteilsanspruch erst mit Vorliegen eines formell rechtskräftigen Scheidungsurteils. Dies schafft einen Anreiz, Scheidungsverfahren künstlich zu verzögern. Um diesen Anreiz zu unterbinden, wird der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch (nicht jedoch den gesetzlichen Erbanspruch) mit Inkrafttreten der Erbrechtsrevision bereits verlieren, wenn beim Tod des Erblassers ein Scheidungsverfahren hängig ist und (i) dieses Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde oder (ii) die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. Sobald also ein solches Scheidungsverfahren hängig ist, kann jeder Ehegatte den andern mit letztwilliger Verfügung vom Erbe ausschliessen. Ohne entsprechende letztwillige Verfügung behalten Ehegatten jedoch wie bis anhin ihren gesetzlichen Erbanspruch bis ein formell rechtskräftiges Scheidungsurteil vorliegt.


Verstirbt ein Ehegatte während eines Scheidungsverfahrens, das den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt, kann der überlebende Ehegatte – vorbehaltlich einer abweichenden Anordnung – neu auch keine Ansprüche mehr aus Verfügungen von Todes wegen erheben. Der Begriff der Verfügung von Todes wegen umfasst dabei sowohl Testamente als auch Erbverträge. Vorbehaltlich einer anderen Abmachung verlieren Erbverträge damit von Gesetzes wegen ihre Bindungswirkung, wenn ein Ehegatte während einem hängigen Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren oder nach zweijährigem Getrenntleben verstirbt.


C. GRUNDSÄTZLICHES SCHENKUNGSVERBOT DES ERBLASSERS NACH ABSCHLUSS EINES ERBVERTRAGES


Gemäss aktuell gültiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann der Erblasser zu Lebzeiten auch nach Abschluss eines Erbvertrags mittels Schenkungen grundsätzlich frei über sein Vermögen verfügen; es sei denn, der Erbvertrag enthält einen diesbezüglichen Vorbehalt oder dem Erbvertragsgläubiger gelingt der Nachweis, dass der Erblasser mit den Schenkungen offensichtlich beabsichtigte, seine Verpflichtungen aus dem Erbvertrag auszuhöhlen. Mit Inkrafttreten der Erbrechtsrevision wir diese Rechtsprechung angepasst. Neu werden Verfügungen von Todes wegen und Zuwendungen unter Lebenden – mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke – der Anfechtung unterliegen, wenn sie (i) mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind und (ii) im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind.


Für die Nachlassplanung hat dies zur Folge, dass im Erbvertrag in Zukunft ein Vorbehalt anzubringen sein wird, falls der Erblasser auch nach dessen Abschluss zu Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügen möchte. Bestehende Erbverträge sind aufgrund des Todestagsprinzips unter Umständen dahingehend anzupassen, wenn sie noch keine entsprechende Regelung enthalten.


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