Neuer Normalarbeitsvertrag für Personen im Haushalt und in der 24-Stunden Betreuung im Kanton Basel-Stadt / Fallstricke bei der Beschäftigung von Hauspersonal
18.11.2021
Wird eine Person im Kanton Basel-Stadt zur Betreuung in einem Privathaushalt direkt angestellt, so untersteht diese zwar nicht dem Arbeitsgesetz, jedoch dem Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmende im Haushalt einschliesslich der 24-Stunden-Betreuung im Kanton Basel-Stadt vom 25. August 2020 (NAV Haushalt BS) sowie der Verordnung über den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft vom 20. Oktober 2010 (NAV Hauswirtschaft Bund) und dem Obligationenrecht.
Der kantonale Normalarbeitsvertrag enthält detaillierte Reglungen betreffend die Arbeitsbedingungen der Angestellten, welche zwar nicht zwingend sind, jedoch nur dann nicht zur Anwendung kommen, wenn diese ausdrücklich und schriftlich durch eine andere Reglung im Arbeitsvertrag ersetzt werden. Wird nur pauschal vereinbart, dass der NAV Hauswirtschaft nicht gelte, ist dies nicht zulässig. Wird somit im Arbeitsvertrag zwischen den Parteien nichts oder nur wenig vereinbart (was in der Praxis oft der Fall ist), so wird der Normalarbeitsvertrag zum Vertragsinhalt. Die Reglungen im NAV Hauswirtschaft Basel-Stadt haben somit grosse Praxisrelevanz für alle Angestellten in Privathaushalten im Kanton Basel-Stadt, auch wenn diese den Parteien nicht einmal bekannt sind.
Der NAV Hauswirtschaft Bund gilt für die ganze Schweiz und enthält ausschliesslich zwingende Mindestlohnbestimmungen. Er findet Anwendung auf Vertragsverhältnisse mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 5 Stunden pro Woche. Die Berechnung der Mindestlöhne finden Sie HIER. Der neu in Basel-Stadt beschlossene Mindestlohn kommt nicht zur Anwendung, da gemäss §2 Abs. 2 lit. h des Gesetzes über den kantonalen Mindestlohn Personen vom Mindestlohn ausgenommen sind, die einem allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag mit Mindestlöhnen oder einem Normalarbeitsvertrag mit Mindestlöhnen unterstehen.
Betreffend den Inhalt des neuen kantonalen Normalarbeitsvertrages ist besonders auf folgende Umstände hinzuweisen:
• Insbesondere betreffend die 24-Stunden Betreuung enthält der NAV Hauswirtschaft erhebliche Neuerungen. Insbesondere die Präsenzzeit, welche bei 24 Stunden Betreuungen grosse Relevanz aufweist, wird gemäss § 34 NAV Hauswirtschaft BS neu in Form von Pauschalen pro Monat vergütet. Die Höhe der Pauschale richtet sich nach der Ausbildung der Arbeitnehmenden und der Anzahl der Einsätze während der Präsenzzeit. Ohne Einsatz, bei Einsätzen am Tag oder durchschnittlich drei Einstätzen in der Nacht pro Woche während der Präsenzzeit, basiert die Pauschale auf 25% des Minimalstundenlohnes. Bei durchschnittlich drei Einsätzen in der Nacht pro Woche erhöht sich die Pauschale auf 35% des Minimalsstundenlohnes. Bei häufigen Einsätzen (durchschnitt zwei Mal pro Nacht) beträgt die Pauschale 50% des Minimalsstundenlohnes. Für einen ungelernten Arbeitnehmenden betragen die zusätzlich zum Lohn zu bezahlenden Pauschalen für die Präsenzzeit somit CHF 1'300.00 (25%), CHF 1'800.00 (35%) oder CHF 3050.00 (50%)). Der anwendbare Ansatz wird zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vereinbart. Weicht die Anzahl der effektiv geleisteten Einsätze während mehr als einem Monat vom vereinbarten Ansatz ab, muss Letzterer angepasst werden. Bei häufigen Einsätzen während der Präsenzzeit, d.h. ab durchschnittlich zweimal pro Nacht, sind die Arbeitnehmenden zudem lediglich noch in einem 50%-Pensum anstellbar.
• Ab einer Arbeitszeit von fünfeinhalb Stunden ist die Arbeit zwingend durch eine Pause zu unterbrechen (vgl. § 19 NAV Haushalt BS). Grundsätzlich ist eine tägliche Ruhezeit von elf aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren (vgl. § 21 NAV Haushalt BS). Präsenzzeiten gelten als Ruhezeit.
• Der Lohn bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung, etwa aufgrund einer Krankheit, ist (im Gegensatz zur Lohnfortzahlung gemäss OR) unabhängig von der vereinbarten Dauer und ab Beginn des Arbeitsvertrages und im ersten Dienstjahr im Umfang von mindestens einem Monat geschuldet (Vgl. § 39 NAV Haushalt BS).
• Die Kündigung des Arbeitsvertrages hat schriftlich, d.h. mit handschriflicher Unterschrift oder qualifizierter digitaler Signatur, zu erfolgen (vgl. § 13 NAV Haushalt BS). Die Kündigung der Unterkunft muss auf dem vom Kanton genehmigten Formular mitgeteilt werden, wobei bei der Kündigung der Unterkunft die mietrechtlichen Bestimmungen anwendbar sind (vgl. § 15 NAV Haushalt BS).
• Das Arbeitszeugnis ist den Arbeitnehmenden vom Arbeitgebenden am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses unaufgefordert auszuhändigen.
• Die Arbeitszeiterfassung hat durch den Arbeitgeber schriftlich zu erfolgen. Wenn der Arbeitgeber keine Zeit erfasst, werden Aufzeichnungen der Arbeitnehmenden im Streitfall als Beweismittel zugelassen.
Entsprechend diesen Ausführungen wird klar, dass bei der Anstellung von Hauspersonal der Vertrag sehr genau ausgearbeitet werden muss. Wird ein Arbeitnehmer zu einem zu tiefen Lohn angestellt oder kommt der NAV Hauswirtschaft Basel-Stadt mangels einer anderen Reglung uneingeschränkt zur Anwendung, so kann ein Arbeitnehmer für die lezten fünf Jahre (Verjährungsfrist für arbeitsrechtliche Forderungen) erhebliche Nachforderungen stellen. Stellt sich z.B. heraus, dass z.B. bei einer durchschnittlichen Einsatzhäufigkeit von drei Mal pro Nacht die Präsenzzeitpauschale nicht geleistet wurde, so kann ein ungelernter Arbeitnehmer für die letzten fünf Jahre eine Nachforderung von über hunderttausend Schweizerfranken stellen. Hinzu kommen noch die gesetzlichen Sozialleistungen, die der Arbeitgeber zu erbringen hat.
Kontakt: lic. iur. Stefan Fierz, Advokat, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht