Kündigung älterer Arbeitnehmer – Welche Pflichten treffen die Arbeitgeber im Vorfeld?

Gemäss den vom Bundesamt für Statistik am 6. April 2018 publizierten provisorischen Ergebnissen zur Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz nahm die Bevölkerungszahl im vergangenen Jahr weiter zu und liegt mittlerweile bei knapp 8.5 Mio. Einwohnern. Seit Jahren steigt dabei das Durchschnittsalter der Schweizer Bevölkerung stetig an und nimmt dasjenige der hiesigen Erwerbsbevölkerung gar stark zu. Letzterer Umstand ist namentlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die geburtenstarke Generation der sog. Baby-Boomers, sprich der in den Jahren 1955 bis 1969 geborenen Arbeitnehmer, immer älter wird. Sie werden ab dem kommenden Kalenderjahr das 50. Lebensjahr abgeschlossen haben und somit dafür sorgen, dass sich der Anteil der über 50-jährigen Arbeitskräfte, der sog. Generation 50+, im Vergleich zu den jüngeren Arbeitnehmern auf Jahre hin vergrössern wird.

In der Schweiz sind diese älteren Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen OECD-Ländern deutlich stärker in den Arbeitsmarkt eingebunden, was insbesondere auf eine starke Sensibilisierung der Unternehmen auf deren Potential zurückzuführen ist, welches neben mehr Know-how regelmässig auch in einem fundierten Urteilsvermögen und einem hohen Qualitätsbewusstsein liegt. So erfreulich dies im Grundsatz ist, so gilt doch auf der anderen Seite gleichwohl noch immer folgendes:

Verlieren die Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Berufsalter ihre Arbeitsstelle, trifft sie dies im Vergleich zu ihren jüngeren Arbeitskollegen zumeist ungleich härter. Dies ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass sie es aufgrund der höheren Lohnkosten und Arbeitgeber-Pensionskassenbeiträge deutlich schwerer haben, in absehbarer Zeit wieder eine adäquate Stelle zu finden bzw. ab dem Alter von 60 Jahren überhaupt noch einmal im Arbeitsmarkt Unterschlupf zu finden - gemäss aktuellen Angaben der Seco sind 45% der langzeitarbeitslosen (seit mehr als einem Jahr arbeitslosen) Personen in der Schweiz 50 Jahre alt oder älter und finden mehr als 80% der über 60-Jährigen vor der Pensionierung gar keine Stelle mehr. Andererseits ergibt sich die besondere Härte für ältere Arbeitnehmer auch daraus, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen besonders stark auf ihren Job angewiesen sind. Angesichts der immer später umgesetzten Familienplanung müssen sie gerade im letzten Drittel der Berufskarriere für ihre Kinder zumeist noch erhebliche Unterhaltsleistungen erbringen. Zudem geht es für sie selbst in den letzten Karrierejahren vor der Pensionierung häufig noch darum, wichtige Beiträge im Hinblick auf eine angemessene Altersvorsorge zu leisten.

Aus den dargelegten Umständen ergibt sich für die Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Berufsalter eine besondere Schutzbedürftigkeit. Das Bundesgericht hat dieser Tatsache Rechnung getragen und mit dem wegweisenden Urteil 4A_384/2014 eine Praxis entwickelt, welche die Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter weitergehender als andere Arbeitnehmer vor einer Kündigung schützen soll. Dies allerdings nur, wenn sie zusätzlich über eine höhere Anzahl Dienstjahre beim betreffenden Arbeitgeber verfügen.

Das oberste Gericht hält in diesem zentralen Entscheid fest, dass Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter mit einer längeren Dienstzeit (vorliegend ein 59-Jähriger mit elf Dienstjahren ohne bzw. 35 Dienstjahren mit Unterbruch) als besondere Arbeitnehmerkategorie zu qualifizieren sind, für welche eine erhöhte arbeitgeberische Fürsorgepflicht gilt. Aus dieser Pflicht leitet das Gericht gestützt auf das Gebot der schonenden Rechtsausübung wiederum drei Handlungspflichten für die Arbeitgeber ab, welche diese ausschliesslich im Vorfeld der Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit älteren, langjährigen Mitarbeitern treffen, bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit anderen Angestellten indes nicht gelten. Namentlich handelt es sich dabei um eine Pflicht zur Information und Anhörung (1), eine Pflicht zur Lösungssuche (2) sowie eine Abklärungspflicht vor der Kündigung (3).

(1) Konkret bedeutet dies für die Arbeitgeber zunächst, dass sie als Ausfluss der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht vorgängig zu Kündigungen mit älteren und langjährigen Mitarbeitern gehalten sind, diese rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung zu orientieren und ihnen im Rahmen eines Vorgespräches rechtzeitig Gelegenheit zu geben, sich zur geplanten Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingehend zu äussern.

(2) Weiter trifft die Arbeitgeber vor einer beabsichtigten Kündigung mit langjährigen Angestellten im fortgeschrittenen Alter stets die Pflicht, nach Lösungen zu suchen, um eine Aufrechterhaltung der Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. Eine sofortige Kündigung des Arbeitsverhältnisses hingegen ist selbst dann nicht zulässig, wenn die Ursache für die beabsichtigte Kündigung in einer mangelhaften Arbeitsweise oder einer schlechten Arbeitseinstellung der betreffenden Arbeitnehmer liegt. Vielmehr sind die Arbeitgeber auch in solchen Fällen verpflichtet, die Angestellten im Rahmen eines Gesprächs nachdrücklich auf die Folgen ihrer Unterlassungen bzw. ihres Verhaltens hinzuweisen und ihnen mit einer Fristansetzung und einer Zielvereinbarung unter Hinweis auf die Kündigung eine letzte Chance einzuräumen, ihren Aufgaben inskünftig in genügendem Masse nachzukommen bzw. ihr Verhalten zu ändern.

(3) Für Fälle, bei welchen der Grund für die beabsichtigte Kündigung indes im Umstand begründet liegt, dass die langjährigen Arbeitnehmer den technischen Anforderungen ihrer Arbeitsstelle nicht mehr gewachsen sind, hat das Bundesgericht überdies eine Pflicht der Arbeitgeber statuiert, vor einer Kündigung alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb zu prüfen.

Kommen die Arbeitgeber den dargelegten Pflichten im Vorfeld einer Kündigung nicht oder bloss unzureichend nach, sind die später ausgesprochenen Kündigungen nach vorgenannter Rechtsprechung als missbräuchlich zu qualifizieren. Zwar hat dies jeweils nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, denn auch eine missbräuchliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis definitiv und es besteht kein Anspruch auf Wiedereinstellung. Gestützt auf den bei Vorliegen von Missbrauchstatbeständen geltenden sachlichen Kündigungsschutz kann den betreffenden Arbeitnehmern gerichtlich indes eine Entschädigung mit Strafcharakter in einer Höhe von bis zu 6 Monatslöhnen zugesprochen werden.

nigon Rechtsanwälte I Notariat berät Sie als KMU im Vorfeld von Kündigungen mit älteren und langjährigen Mitarbeitern und hilft Ihnen dabei, durch entsprechende Vorkehrungen der Entstehung von Entschädigungsansprüchen Ihrer Angestellten entgegenzuwirken. Selbstverständlich vertreten wir Ihre Interessen überdies auch im Falle eines seitens Ihrer Mitarbeiter anhängig gemachten Zivilprozesses.

nigon Rechtsanwälte I Notariat steht Ihnen ferner auch als Arbeitnehmer zur Seite, prüft für Sie, ob das Ergreifen rechtlicher Schritte sinnvoll und erfolgsversprechend ist und unterstützt Sie gegebenenfalls dabei, Ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche auf dem Rechtsweg geltend zu machen.

Kontakt: Christian Stöbi, MLaw, Rechtsanwalt

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