Konventionalstrafen im Arbeitsrecht – Grenzen zulässiger vertraglicher Vereinbarungen
30.08.2018
In Arbeitsverträgen von insbesondere leitenden Angestellten sind gerne Konventionalstrafabreden anzutreffen. Diese sehen etwa eine Strafzahlung vor, wenn Konkurrenz- oder Geheimhaltungspflichten verletzt werden. Häufig werden jedoch Klauseln vereinbart, wonach auch eine weitere oder gar jede Vertragsverletzung zur Fälligkeit einer Konventionalstrafe führen soll. Wie das Beispiel eines jüngsten bundesgerichtlichen Entscheides zeigt, lohnt es sich, die Gültigkeit solcher Vertragsklauseln kritisch zu prüfen.
Zusammenfassend ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass arbeitsvertragliche Konventionalstrafen mit Ersatzcharakter die gesetzliche Arbeitnehmerhaftung nicht überschreiten dürfen. Demnach sind insbesondere verschuldens- oder schadensunabhängige Konventionalstrafabreden nichtig. Eine Gültigkeit als Disziplinarmassnahme ist ferner nur für konkret vereinbarte Vertragsverletzungen zulässig, wobei zudem die Höhe der Strafe sowohl bestimmbar als auch verhältnismässig sein muss. Diese Schlussfolgerungen ergeben sich im Detail aus folgenden Erwägungen:
Art. 321e OR befasst sich mit der Haftung des Arbeitnehmers und ist grundsätzlich im Zusammenhang mit Art. 321a OR zu lesen. Den Arbeitsvertragsparteien steht es indes frei, diese allgemeine Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers vertraglich zu erweitern. Die Haftungsnorm selbst gehört jedoch zu den einseitig zwingenden Normen, von welchen nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Folglich darf ein Arbeitnehmer durch eine vertragliche Abrede nicht schlechter gestellt werden, als durch die gesetzliche Bestimmung. Einigen sich die Parteien auf eine Konventionalstrafe im Falle einer Vertragsverletzung, hat diese Vertragssanktion somit mit der Regelung von Art. 321e OR vereinbar zu sein.
Die Lehre leitet hieraus ab, dass Konventionalstrafen zur Sicherung der Einhaltung von Vertragspflichten keine Haftungsverschärfung bewirken dürfen, Art. 321e OR jedoch sogenannte Disziplinarmassnahmen als Vertragsstrafen nicht ausschliesst. Denkbar sind hierbei allgemeine Disziplinarmassnahmen, wie einen Verweis, eine Verwarnung, Schadenersatzforderung, zivilrechtliche Klage oder Entlassung. Zu diesen Handlungen ist der Arbeitgeber bereits nach dem allgemeinen (Arbeits-)Recht legitimiert. Weiter kann ihm aber im konkreten Arbeitsverhältnis aus einer eigenständigen Rechtsgrundlage auch die Befugnis zur Verhängung besonderer Disziplinarmassnahmen wie einer Geldbusse, Lohnkürzung, Nacharbeit, Versetzung, Verlängerung der Probezeit oder Suspendierung zukommen.
Die gesetzlichen Regelungen zu Konventionalstrafen im Allgemeinen finden sich in Art. 160 ff. OR. Entsprechend diesen dient eine Konventionalstrafe der Sicherung einer korrekten Vertragserfüllung. Die grundsätzliche Funktion einer Konventionalstrafe liegt demnach im Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile, welche sich aus einer Vertragsverletzung ergeben. Weiter kann ihr Strafcharakter zukommen, indem eine Sanktionierung des Leistungsschuldners bei Vertragsverletzung erfolgt. Betreffend die Vereinbarkeit einer vertraglichen Konventionalstrafe mit der arbeitsrechtlichen Haftungsnorm ist somit von Relevanz, ob einer konkret arbeitsvertraglich vereinbarten Konventionalstrafe Straf- oder Ersatzcharakter zukommt. Vom Ersatzcharakter kann ausgegangen werden, wenn ihr Ziel im Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile liegt und sie somit das wirtschaftliche Interesse an einer mangelfreien Pflichterfüllung schützen soll. Dieses Interesse liegt dem Schutzbereich von Art. 321e OR zugrunde, weshalb eine solche Strafabrede mit Ersatzcharakter die gesetzliche Haftungsnorm nicht verschärfen darf.
Nach dem am 7. Mai 2018 ergangenen Urteil des Bundesgerichts (4A_579/2017 und 4A_581/2017) sind insbesondere Vereinbarungen unzulässig, welche eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitsnehmers bewirken oder die Beweislast zu dessen Ungunsten umkehren. Vor Art. 321e OR ebenfalls keinen Bestand hat ferner eine schadensunabhängige Haftung des Arbeitnehmers. Er kann somit auch nicht durch Abrede einer Konventionalstrafe dazu verpflichtet werden, eine den tatsächlichen Schaden übersteigende Vertragsstrafe zu zahlen. In casu war eine verschuldens- und schadensunabhängige Konventionalstrafe vereinbart, was somit keinen Rechtsschutz fand.
Eine Unvereinbarkeit mit Art. 321e OR führt zur Nichtigkeit der konkreten Vertragsbestimmung und zur Geltung der zwingenden Gesetzesnorm ohne Rücksicht auf einen hypothetischen Parteiwillen. Eine gegen die teilzwingende Haftungsnorm verstossende Konventionalstrafe mit Ersatzcharakter wird somit nicht wie eine übermässig hohe nach Art. 163 Abs. 3 OR in entsprechendem Umfang herabgesetzt, sondern ist nichtig. Folglich ist eine Konventionalstrafe nach benannter Rechtsprechung unter Art. 321e OR nur zulässig, soweit ihr Disziplinarcharakter zukommt.
Weiter ist die Zulässigkeit von Disziplinarmassnahmen grundsätzlich unter Art. 38 Abs. 1 ArG zu prüfen. Es sind ihr aber auch im Verhältnis zu leitenden Angestellten – welche vom persönlichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind – Grenzen gesetzt. Die Vereinbarung ist dabei im Einzelarbeitsvertrag möglich, deren Gültigkeit bedingt jedoch eine Bestimmbarkeit und Verhältnismässigkeit der Höhe der Strafe sowie eine klare Umschreibung der unter Strafe gestellten Tatbestände. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts erfüllt eine Abrede dieses Bestimmtheitserfordernis klar nicht, gemäss welcher sämtliche Vertragsverletzungen zur Ausfällung der Strafe führen. Als Folge davon war im beurteilten Fall trotz Vorliegens von Vertragsverletzungen keine Konventionalstrafe geschuldet.
Die beleuchtete Rechtsprechung kann sodann nicht bloss im klassischen Arbeitsrecht die Verbindlichkeit vertraglicher Konventionalstrafen negieren, sondern ist allenfalls auch auf Franchise- und andere Vertriebsverträge analog anwendbar. Zur Vermeidung unangenehmer Überraschungen lohnt es sich deshalb, bereits im Hinblick auf die Vertragsgestaltung anwaltlichen Rat beizuziehen. nigon Rechtsanwälte | Notariat vertritt Sie jedoch auch bei bestehenden Vertragsstreitigkeiten sowohl vor Gericht wie auch im Rahmen einer aussergerichtlichen Streiterledigung.