Ferienzeit – Reisezeit oder wenn die Fluggesellschaft nicht hält, was sie verspricht

Nun sind sie schon wieder vorüber, die grossen Ferien! Und mit ihnen die grosse Anzahl der Flugbewegungen im internationalen Luftraum. Während z.B. im Januar 2017 rund 1.9 Mio. Passagiere über den Flughafen in Zürich gereist sind, waren es im August des gleichen Jahres rund eine Million mehr, nämlich über 2.9 Mio. Passagiere. Auch in diesem Jahr war dies nicht anders; im Juli 2018 waren es sogar 3.13 Mio. Passagiere! Damit das alles reibungslos über die Bühne geht, erbringen tausende von Mitarbeitern bei zahlreichen Fluggesellschaften und Flughafenbetreibern zigtausende von Arbeitsstunden. Wenn jedoch einmal etwas nicht rund läuft, kann sich der Fluggast unter anderem mit folgenden Problemen konfrontiert sehen: 1. Nichtbeförderung wegen Überbuchung (sog. Denied Boarding), 2. Annullierung des Fluges (sog. Cancellation), oder 3. erhebliche Verspätung (sog. Delay). Wie soll man sich in einer solchen Situation verhalten und welche Rechte stehen einem zu?

1. Zur gesetzlichen Grundlage

Grundsätzlich gilt für alle Abflüge aus EU-Staaten, der Schweiz, Norwegen und Island – unabhängig von der Fluggesellschaft – die EU-Verordnung 261/2004 über die europäischen Fluggastrechte vom 11. Februar 2004. Diese Verordnung gilt auch dann, wenn Flüge von einer schweizerischen, norwegischen, isländischen oder EU-Fluggesellschaft durchgeführt werden, die ihren Ursprung zwar ausserhalb von Europa haben, sich ihr Ankunftsort jedoch in der Schweiz, Norwegen, Island oder in der EU befindet.

2. Rechtslage bei einer Nichtbeförderung (Denied Boarding)

Ist absehbar, dass einem Fluggast die Beförderung gegen seinen Willen zu verweigern ist, muss die Fluggesellschaft zunächst nach Freiwilligen suchen, die bereit sind, ihre Plätze gegen vereinbarte Bedingungen aufzugeben. Zusätzlich müssen in diesem Fall die Passagiere zwischen der Erstattung des Ticketpreises und einer anderweitiger Beförderung wählen können. Im Falle einer unfreiwilligen Nichtbeförderung muss die Fluggesellschaft folgende Entschädigung leisten:

• 250.00 Euro bei Flügen mit einer Distanz bis 1'500 km,
• 400.00 Euro bei Flügen mit einer Distanz von 1'500 km bis 3'500 km und
• 600.00 Euro bei Flügen mit einer Distanz ab 3'500 km.

Die Entschädigung kann halbiert werden, wenn sich die Reise in Abhängigkeit der Distanz nicht mehr als 2, 3 oder 4 Stunden verzögert. Keine Ausgleichszahlung wird dagegen geschuldet, wenn sich Passagiere z.B. zu spät am Check-in oder am Gate einfinden, wenn sie nicht alle notwendigen Reiseunterlagen dabei haben oder wenn die Fluggesellschaft andere legitime Gründe für eine Nichtbeförderung geltend machen kann.

3. Rechtslage bei einer Annullierung des Fluges (Cancellation)

Wird ein Flug gestrichen, haben Passagiere grundsätzlich Anspruch auf Betreuungsleistungen und allenfalls auch auf eine Ausgleichszahlung. Im Falle einer Annullierung des Fluges muss die Fluggesellschaft folgende Betreuungs- und Unterstützungsleistungen anbieten: Die Wahl zwischen Erstattung des Ticketpreises oder anderweitiger Beförderung zum Zielort und Mahlzeiten und Getränke im Verhältnis zur Wartezeit. Verzögert sich der Weiterflug bis zum Folgetag (Datumswechsel), muss – wenn nötig – eine Hotelunterkunft inklusive Transport offeriert werden. Die Möglichkeit zur Telekommunikation muss ebenfalls angeboten werden. Ausserdem gibt es einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in folgender Höhe:

• 250.00 Euro bei Flügen mit einer Distanz bis 1'500 km,
• 400.00 Euro bei Flügen mit einer Distanz von 1'500 km bis 3'500 km und ,
• 600.00 Euro bei Flügen mit einer Distanz ab 3'500 km.

Die Entschädigung kann halbiert werden, wenn sich die Reise je nach Entfernung nicht länger als 2, 3 oder 4 Stunden verzögert. Wird der Passagier mehr als 14 Tage im Voraus über den Flugausfall informiert, entfällt der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Eine Fluggesellschaft ist ferner dann nicht entschädigungspflichtig, wenn sie belegen kann, dass eine Annullierung auf aussergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist. Auch bei aussergewöhnlichen Umständen sind Fluggesellschaften jedoch verpflichtet, Betreuungs- und Unterstützungsleistungen zu erbringen.

4. Rechtslage bei grosser Verspätung (Delay)

Eine Verspätung fällt erst dann unter den Anwendungsbereich der EU-Verordnung 261/2004, wenn sie folgende Kriterien erfüllt:

• 2 Stunden bei Flügen mit einer Distanz bis 1'500 km,
• 3 Stunden bei Flügen mit einer Distanz von 1'500 km bis 3'500 km und,
• 4 Stunden bei Flügen mit einer Distanz ab 3'500 km.

Im Falle einer grossen Verspätung muss die Fluggesellschaft Mahlzeiten und Getränke im Verhältnis zur Wartezeit anbieten. Verzögert sich der Weiterflug bis zum Folgetag (Datumswechsel), muss – wenn nötig – eine Unterkunft inklusive Transport offeriert werden. Die Möglichkeit zur Telekommunikation muss ebenfalls angeboten werden. Beträgt die Verspätung 5 Stunden oder mehr, muss die Fluggesellschaft auch eine Erstattung des Ticketpreises anbieten.

5. Aussergewöhnliche Umstände

Eine Entschädigung ist dann nicht geschuldet, wenn die Fluggesellschaft ohne Zweifel nachweisen kann, dass aussergewöhnliche Umstände vorgelegen haben und sich der Flugausfall nicht durch zumutbare Massnahmen hat vermeiden lassen. Aussergewöhnliche Umstände sind etwa: Sperrung eines Flughafens, schlechtes Wetter, Streik, Vogelschlag, versteckte Herstellerfehler am Flugzeug oder Blitzschlag. Doch selbst dann, wenn solche aussergewöhnlichen Umstände vorgelegen haben, muss die Fluggesellschaft zusätzlich nachweisen, dass sich der dadurch hervorgerufene Flugausfall nicht durch zumutbare Massnahmen hätte vermeiden lassen.

Demgegenüber gelten Probleme wie fehlende Enteisungsmittel, Kollisionen von Flughafenfahrzeugen mit dem vorgesehenen Flugzeug, schadhafte Gepäckförderungsanlage des Flughafens oder die Erkrankung eines Crew-Mitgliedes nicht zu den aussergwöhnlichen Umständen.

6. Empfohlenes Verhalten

Sollte eines der obgenannten Ereignisse tatsächlich eintreten, empfiehlt es sich, in einem ersten Schritt mit dem Meldeformular des BAZL (Bundesamt für Zivilluftfahrt, www.bazl.admin.ch) eine Anzeige einzureichen (passengerrights@bazl.admin.ch; +41 58 465 95 96). Sollte es neben den obgenannten Ansprüchen um weitere zivilrechtliche Ansprüche gehen, müssten diese im Rahmen eines ordentlichen Zivilprozesses durchgesetzt werden. In diesem Fall wäre die Unterstützung durch einen Anwalt sicherlich hilfreich.

Basel, 15. August 2018
Dr. Reto Krummenacher, Partner

 

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