Ein vergessener Anspruch auf Löschung: Mehrwertrevers im Kanton Basel-Landschaft

Einleitung

Mehrwertrevers gehören mitunter zu den häufigsten Anmerkungen in schweizerischen Grundbüchern. Auch im Kanton Basel-Landschaft sind diese im § 114 des Raumplanungs- und Baugesetzes („RBG BL") ausdrücklich vorgesehen. Was aber wird gemeinhin unter einem Mehrwertrevers verstanden?

Betroffene Grundeigentümer wissen in der Regel worum es geht. Mit sogenannten «Mehrwertrevers» kann das Gemeinwesen insbesondere sicherstellen, dass Eigentümer für Mehrwerte, welche durch baulinienwidrige Bauten geschaffen werden, keine Entschädigung geltend machen können, falls der Staat den vorgesehenen Baulinienbereich doch noch in Anspruch nehmen müsste. Aber was heisst das konkret?

Baulinien

Baulinien im Sinne von Raumplanungs- und Baugesetzen begrenzen die Bebauung von Grundstücken und dienen insbesondere der Sicherung bestehender und geplanter Anlagen und Flächen sowie der baulichen Gestaltung (§ 96 RBG BL). Sie werden in Nutzungs- oder Erschliessungsplänen hoheitlich festgelegt.

Eigentümern wird also aufgrund von staatlich definierten Abgrenzungen grundsätzlich verboten, einen Teil ihres eigenen Grundstücks zu bebauen. Das hat für den Staat den Vorteil, dass bei einer allfälligen späteren Verwirklichung einer öffentlichen Baute oder Anlage in diesen vordefinierten Bereichen keine Bebauungen vorhanden sind, welche andernfalls zerstört werden müssten. Das spart Geld und Aufwand.

Die Behörden haben aber die Möglichkeit, unter Umständen und ausnahmsweise ein Bauen über die Baulinien hinaus zu erlauben. Für diesen Fall wurde das Institut des « Mehrwertrevers » geschaffen.

Mehrwertrevers

Ein Revers im rechtlichen Sinne ist die schriftliche Zusage zu einer Verpflichtung. Die Verpflichtung im Falle eines «Mehrwertrevers» ist die Verpflichtung zu einem Verzicht. Dieser Verzicht besteht hier konkret darin, dass der Eigentümer, der in Verletzung einer Baulinie ein Bauprojekt ausnahmsweise verwirklichen darf, im Falle einer späteren Enteignung dieses eigentlich durch Baulinien geschützten Bereichs keine (ansonsten geschuldete) Entschädigung erhält. Dabei beschränkt sich sein Verzicht aber einzig auf die Entschädigung für den durch die Baulinienüberschreitung geschaffenen Mehrwert – eine Entschädigung für die Enteignung des Bodens durch den Staat bleibt hingegen nach wie vor geschuldet.

Objektive Interessenabwägung

Diese Regelung ist sachgerecht: Im Gegenzug für die baulinienverletzende Ausnahmebewilligung verzichtet der Grundeigentümer auf eine allfällige Enteignungsentschädigung für einen Mehrwert, der durch die Überschreitung der Baulinie überhaupt erst entstanden ist. Damit wird verhindert, dass der Staat im Falle einer nachträglichen Enteignung aufgrund der Gewährung einer baurechtlichen Ausnahme eine grössere Entschädigung leisten muss, als wenn er die Ausnahmebewilligung verweigert hätte und nur die Enteignung des nicht bebauten Bodens entschädigen müsste.

Aus der Sicht des betroffenen Grundeigentümers dürfte jedoch die Einschränkung seiner Rechte im Vordergrund stehen. Bei der Veräusserung eines Grundstücks kann sich nämlich ein Mehrwertrevers negativ auf den Kaufpreis auswirken. Potentielle Käufer könnten ein angemerktes Mehrwertrevers als Grund für einen tieferen Kaufpreis anführen. Insofern sollten betroffene Grundeigentümer ein Interesse daran haben, dass unrechtmässige bzw. obsolet gewordene Mehrwertrevers im Grundbuch gelöscht werden.

Mehrwertrevers nach basel-landschaftlichem Raumplanungs- und Baugesetz

Mehrwertrevers werden gesetzlich auf kantonaler Ebene geregelt. Der vorliegende Beitrag behandelt im Wesentlichen das Mehrwertrevers nach basel-landschaftlichem Recht. Der Kanton Basel-Landschaft sieht ein Mehrwertrevers in seinem Raumplanungs- und Baugesetz ausdrücklich vor.

Gemäss § 114 Abs. 1 RBG BL setzt eine Ausnahmebewilligung zur Überschreitung der Baulinie zunächst Folgendes voraus:
1. Die Baute muss bereits bestehen und bereits (wohl aus historischen Gründen) die Bauabstände oder Baulinien verletzen.
2. Die Baute soll nun verändert werden.
3. Die Veränderung der Baute muss über den üblichen Unterhalt hinausgehen (wesentlicher Umbau, Renovation etc.).

Die Ausnahmebewilligung kann sodann und wird in der Regel auch an die Auflage geknüpft, dass ein Mehrwertrevers vereinbart wird (§ 114 Abs. 2 RBG BL). Ein solches Revers ist im Grundbuch anzumerken und erlischt nach 25 Jahren (§ 114 Abs. 3 RBG BL).

Anspruch auf Löschung im Grundbuch

§ 114 Abs. 3 RBG BL sieht also von Gesetzes wegen das Erlöschen eines Mehrwertrevers nach 25 Jahren vor. Grundsätzlich sollte daher die zuständige Behörde (im Kanton Basel-Landschaft die Bau- und Umweltschutzdirektion) um die Löschung der entsprechenden Anmerkung im Grundbuch von Amtes wegen besorgt sein. Dies entspricht der bundesrechtlichen Bestimmung von Art. 962 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches. Demnach hat das zuständige Gemeinwesen bzw. die Behörde die Löschung einer dahingefallenen öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung zu veranlassen. Auch das Grundbuchamt kann die Anmerkung von Amtes wegen löschen, falls die zuständige Behörde nichts unternimmt.

Praktisches Vorgehen

In der Praxis bleiben die zuständige Behörde und das Grundbuchamt oftmals untätig, so dass eigentlich erloschene Mehrwertrevers nach wie vor in den Grundbüchern erscheinen. Der betroffene Grundeigentümer muss also selbst handeln, wenn er will, dass etwas geschieht. Meines Erachtens sollte dabei ein schriftlicher Hinweis an das Grundbuchamt des Kantons Basel-Landschaft, dass das angemerkte Mehrwertrevers obsolet geworden und daher im Grundbuch zu löschen ist, ausreichen.

Verweigert das Grundbuchamt die Löschung eines dahin gefallenen Mehrwertrevers oder spricht sich die zuständige Behörde dagegen aus bzw. verlangt sogar die Wiedereintragung der Anmerkung nach bereits erfolgter Löschung, so sollte der Betroffene die allenfalls angezeigten rechtlichen Schritte prüfen lassen.

Kontakt: Olivier Bieri, Rechtsanwalt

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